Coaching-Ziel festlegen

Zu Beginn eines Coaching-Prozesses erfassen wir die aktuelle Situation und klären, was der Kunde konkret erreichen möchte.

Frau B. arbeitet seit zwölf Jahren als Direktionsassistentin. Sie glaubt, aufgrund von Erfahrungen in ihrer Herkunftsfamilie nicht gelernt zu haben, sich für sich selbst einzusetzen und sich genügend abzugrenzen. Ihr Anliegen für das Coaching sei es deshalb, sowohl beruflich als auch privat zu lernen «sich in die erste Reihe zu stellen».

In Coaching-Prozessen fragen wir häufig neugierig nach, um die Sichtweisen der Klienten/innen möglichst genau erfassen zu können.

«[…] die Arbeit [kann] als ein Aushandeln von Bedeutungen begriffen werden und das heisst […], dass es darum gehen sollte, die Konstruktionen meines Gegenübers, […], klarer und – so gut es geht – eindeutiger zu erkundigen.»[1]

Was meint Frau B. mit «sich in die erste Reihe stellen»? Auf genauere Nachfrage berichtet Frau B., dass sie sich häufig zurücknehme und die Bedürfnisse anderer höher gewichte als die eigenen. Auch schlucke sie in gewissen Situationen ihren Ärger herunter und sage nichts, wenn ihr etwas nicht passe. Allerdings sei das nicht immer so, denn manchmal sage sie gar lauthals, was sie denke. Es würde sie dann regelrecht »verjagen», wofür sie sich im Nachhinein jeweils geniere.

Es ist gar nicht so unüblich, dass man sich nicht in jeder Situation gleich verhält. In der systemischen Beratung spricht man in diesem Zusammenhang auch von den vielen Selbsten.[2] Jeder Mensch hat verschiedene Anteile, die sich situationsabhängig zeigen oder eben nicht.

«Je nachdem, wohin und wie die Fokussierungsprozesse gestaltet werden, erleben Menschen auch immer wieder ein unterschiedliches «Ich». […] Wir sind also alle multiple Persönlichkeiten mit vielen Ichs.» [3]

Nach genauerer Betrachtung des ruhigen und des aufbrausenden Teils von Frau B. formuliert sie folgendes Ziel: Ich möchte meine Bedürfnisse rechtzeitig und charmant anbringen.

 

Systemisch-lösungsorientierte Beratung

Wer in ein Coaching kommt, möchte sich anders verhalten oder fühlen oder mit dem Umfeld anders umgehen. Klienten formulieren ihr Anliegen deshalb meist mit der Beschreibung eines Problems oder eines Mankos. Mit einer ausführlichen Problemanalyse aktualisieren wir jedoch die Hilflosigkeit.[4] Wir setzen in unserer Arbeit den Fokus deshalb stark auf die Zukunft. Da liegt die Lösung. Den Blick in die Vergangenheit nutzen wir bloss, um Muster aufzudecken und uns dann möglichst rasch wieder auf die Stärken und Ressourcen und deren Einsatz in der Zukunft zu konzentrieren.

Mit Frau B. erstellen wir ein Genogramm[5] ihrer Herkunftsfamilie, dies soll dazu dienen «Muster zu rekonstruieren, die die Lebenspraxis der Akteure in ihrer spezifischen Logik immer wieder hervorbringen»[6]. Es zeigt sich tatsächlich ein sich wiederholendes Familien-Thema, das Frau B. gelehrt hat, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Wir unterhalten uns darüber, wie Vorfahrinnen von Frau B. mit dieser Rolle klargekommen sind und legen den Fokus damit wieder auf die Ressourcen.

 

Die Arbeit mit dem Zürcher Ressourcen Modell

Sind die wenig hilfreichen Muster bekannt, arbeiten wir an den Lösungen. Nun sollen neue, hilfreiche Muster etabliert werden.

«Um zu erreichen, dass alte Muster nachhaltig durch zielgerichtetes Handeln ersetzt werden können, stützt sich das Zürcher Ressourcen Modell theoretisch und praktisch auf neurowissenschaftliche Ergebnisse zur Entstehung und zur handlungssteuernden Funktion von unbewusst verlaufenden Automatismen.» [7]

Wir arbeiten häufig mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)[8]. Beim ZRM handelt es sich um eine Selbstmanagement-Methode, die auf neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung beruht. Mit Selbstmanagement ist die Fähigkeit gemeint, Handlungen, Gefühle und das Denken zur eigenen Zufriedenheit zu koordinieren. Im ZRM-Training arbeitet man zu Beginn mit Bildern, denn Bilder sprechen die Sprache des Unbewussten. In einem zweiten Schritt zieht man den Verstand bei und erarbeitet sich ein Motto-Ziel. Motto-Ziele sind motivational sehr ansprechend. Mit der Kraft des Motto-Ziels kann man dann zur Planung und Vorbereitung der Umsetzung im Alltag übergehen.

Frau B. wählt das Bild der Vespa-Fahrerin aus der ZRM-Bildkartei.[9] Das Bild soll sie unterstützen, sich auf charmante Art und Weise für sich einzusetzen. Wir erarbeiten auf Basis von zu zweit gesammelten positiven Assoziationen zum Bild ein Motto-Ziel, das lautet:

«Ich bin voll und ganz Baloo in Italien.»

Mit der ZRM-Arbeit (Bild, positive Assoziationen, Motto-Ziel) wird ein neues neuronales Netzwerk im Gehirn geschaffen, das gestärkt werden soll. Dies geschieht durch sogenannte Erinnerungshilfen. Erinnerungshilfen sind Dinge, die wir in unserem Alltag platzieren und die uns an unser Motto-Ziel erinnern. Dies können Gegenstände, Düfte, Musik, usw. sein. Durch das ständige Aktivieren des neuen neuronalen Netzwerks wird dieses gestärkt. In der Psychologie nennt man diese unbewusste Form des Aktivierens von neuronalen Netzwerken «Priming».[10]

Im Fall von Frau B. wird das neue neuronale Netzwerk bereits durch den Satz «Ich bin voll und ganz Baloo in Italien» und durch das Bild der Vespa-Fahrerin aktiviert. Frau B. erhält den Auftrag, sich nun noch Erinnerungshilfen zu besorgen, die ihr neues, neuronales Netzwerk im Alltag aktivieren und stärken. Frau B. nimmt das Bild der Vespa-Fahrerin als Hintergrundbild auf ihr Handy und kauft sich kleine Ausstellungsgegenstände für ihren Arbeitsplatz und für ihr Wohnzimmer zu Hause.

 

Erfolge wahrnehmen, feiern und verstärken

Wir führen mit unseren Kunden gerne Dialoge darüber, was sich verbessert hat.[11] Das Wahrnehmen und Feiern gerade der kleinen Erfolge im Alltag ist besonders wichtig, weil durch positive Verstärkung das neue neuronale Netz gestärkt wird.[12]

Auf die Frage «Was hat sich verbessert?» berichtet Frau B. von ganz vielen kleinen Veränderungen im Alltag. Sie nennt Beispiele im Umgang mit ihrem Partner, mit ihren Kindern, im Geschäft und selbst mit ihrer Schwester. Sie ist ganz begeistert von der Wirkung ihres Motto-Ziels. Sie ärgere sich weniger, bleibe ruhiger, könne selbstbewusster auftreten und die eigenen Bedürfnisse besser anbringen. Ich drücke ihr meine Bewunderung dafür aus, dass sie so viele schöne Erinnerungshilfen besorgt hat, dass sie bereits so viele Erfolge verbucht hat und vor allem, dass sie diese Erfolge so gut wahrnimmt und sich daran erfreut.

 

Planen von herausfordernden Situationen

Klienten müssen auf herausfordernde Situationen und allfällige kleine Rückfälle vorbereitet werden. Dafür planen wir vorhersehbare Situationen im Alltag mit Wenn-Dann-Plänen[13] oder wir üben Situationen in Rollenspielen ein.

«Wenn die Situation auftaucht, die im Wenn-Satz beschrieben ist, wird automatisch (also ohne dass bewusste Kontrolle nötig ist) das Verhalten ausgelöst, das im Dann-Satz beschrieben ist.»[14]

Auch mit Frau B. planen wir mit Hilfe von Wenn-Dann-Plänen voraussehbare, herausfordernde Situationen in ihrem Alltag.

 

Abschluss eines Coachingprozesses

Bei uns entscheidet der Kunde, wann der Coachingprozess abgeschlossen werden soll.

Nach sechs Terminen ist Frau B. mit ihrem Ziel sehr gut unterwegs und glücklich mit ihren Veränderungen. Zur Sicherheit wünscht sie, vorläufig noch alle zwei Monate einen Coaching-Termin zu haben, um bei auftauchenden Schwierigkeiten sofort Unterstützung zu erhalten.

 

Angebot

Zur Zeit haben wir ein Spezialangebot für ein Coaching-Paket, welches Sie unter dem folgenden Link finden.

 

Literaturverzeichnis

Bamberger, G. G. (2015). Lösungorientierte Beratung. Fünfte Auflage. Basel: Beltz.

De Jong, P., Berg, I. K. (2014). Lösungen (er-)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. Siebte verbesserte und erweiterte Auflage. Dortmund: Verlag modernes Lernen.

Hargens, J. (2015). Keine Tricks! Erfahrungen lösungsorientierter Therapie. Ein persönlicher Rückblick. Lenzburg: Wilob.

Hildenbrand, B. (2011). Einführung in die Genogrammarbeit. Dritte überarbeitete Auflage. Heidelberg: Carl-Auer.

Krause, F., Storch, M. (2010). Ressourcen aktivieren mit dem Unbewussten. Manual und ZRM-Bildkartei. Bern: Hans Huber.

Oettingen, G., Hönig, G., Gollwitzer, P.M. (2000). Effective self-regulation of goal attainment. International Journal of Educational Research, 33, 705-732.

Schlippe, A., Schweizer, J. (2016). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Schmidt, G. (2011). Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung. Vierte Auflage. Heidelberg: Carl-Auer.

Schmidt, G. (2016). Das Orchester der Sinne nutzen für erfolgreiche «Lösungssinfonien» – Hypnosystemische multisensorische Strategien für kraftvolle ganzheitliche Lösungen. In: Bohne, M., Ohler, M., Schmidt, G., Trenkle, B. (Hrsg.) (2016). Reden reicht nicht!? Bifokal-multisensorische Interventionsstrategien für Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl-Auer.

Storch, J., Morgenegg, C., Storch, M., Kuhl, J. (2016). Ich blicks. Verstehe dich und handle gezielt. Bern: Hogrefe.

Storch, M., Krause, F. (2011). Selbstmanagement – ressourcenorientiert. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern: Hans Huber.

[1] Hargens (2015, S. 64)

[2] Schlippe & Schweitzer (2016, S. 214-215)

[3] Schmidt (2016, S. 174)

[4] Bamberger (2015, S. 50)

[5] Ein Genogramm ist eine grafische Darstellung, die Familienmitglieder über mehrere    Generationen und deren Beziehungen aufzeigt.

[6] Hildenbrand (2011, S. 16)

[7] Storch & Krause (2011, S. 28)

[8] Siehe auch www.zrm.ch

[9] Krause & Storch (2010)

[10] Storch et al. (2016, S. 159)

[11] De Jong und Berg (2014, S. 234)

[12] Storch & Krause (2011, S. 194-195)

[13] Oettingen, Hönig & Gollwitzer (2000)

[14] Storch et al. (2016, S. 196)